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Barrierefreiheit

Etwa 10% aller Internetnutzer sind sehbehindert, gehörlos oder motorisch eingeschränkt. Gerade für sie ist das Internet eine ideale Möglichkeit, an der modernen Informationsgesellschaft zu partizipieren. Unüberwindliche Nutzungsbarrieren im World Wide Web stellen jedoch für sie, aber auch für viele ältere Menschen ein großes Problem dar.

Um diesem allgemeinen Anspruch auf Zugänglichkeit Rechnung zu tragen, hat das W3C als übergeordnetes Konsortium im Mai 1999 ihre Web Content Accessibility Guidelines 1.0 vorgestellt, die als Referenzdokument zur Erstellung behindertengerechter Webanwendungen gedacht waren.

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Diese WCAG dienten seitdem weltweit als Basis für verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen und Erlasse:

  • Die Vereinigten Staaten von Amerika haben im Dezember 2000 die Section 508 of the Rehabilitation Act: Electronic and Information Technology Accessibility Standards erlassen, die alle Bundesbehörden und öffentlichen Stellen verpflichtet, ihre elektronischen Informationsangebote Nutzern mit Behinderungen ebenso zugänglich zu machen, wie solchen ohne Behinderung.
  • Die Kommission der Europäischen Union hat mit eEurope2002 im selben Jahr ebenfalls ein Projekt ins Leben gerufen, das die Zugänglichkeit von Internetauftritten entsprechend den Richtlinien des W3C voran treiben soll.
    Ausserdem wurde im Februar 2003 durch den EU-Rat eine Entschließung angenommen, die die Mitgliedsstaaten aufruft, technische, rechtliche und andere Schranken für die wirkliche Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an der wissensbasierten Gesellschaft zu beseitigen.
  • In Österreich ist die Verpflichtung zur Schaffung barrierefreier öffentlicher Webangebote durch die öffentlichen Gebietskörperschaften seit 1997 im Artikel 7 verfassungsrechtlich festgeschrieben.
    Die Durchsetzung der EU-eAccessibility wird durch eine spezielle IKT-Stabsstelle des Bundeskanzleramtes koordiniert.
  • In der Schweiz wurde mit dem Behindertengleichstellungsgesetz und der Behindertengleichstellungsverordnung der gesetzliche Rahmen geschaffen, um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, ohne Benachteiligungen am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Das schließt sowohl die Internetauftritte der Gemeinwesen, als auch von konzessionierten Unternehmen ein. Das Gesetz ist am 1. Januar 2004 in Kraft getreten und sieht keine ausdrücklichen Anpassungsfristen vor.
  • Die deutsche Bundesregierung hat im Mai 2002 mit dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGG) und seit Juli 2002 in der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) für Internetangebote ebenfalls dem Anspruch auf Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten Menschen bei der Informationsbeschaffung Rechnung getragen. Alle öffentlich zugänglichen elektronischen Informationsangebote der Behörden der Bundesverwaltung müssen diese Verordnung bis Ende 2005 umgesetzt haben.

BITV

Die Anlage 1 der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung basiert vollständig auf der WCAG 1.0. Allerdings wurden die einzelnen Anforderungen teilweise neu strukturiert, ausserdem gibt es bei der BITV nur mehr zwei Prioritäten (die WCAG 1.0 unterscheidet 3). Hier wurden für die BITV einfach die ersten beiden WCAG Piorities zu einer zusammen gefasst, d.h. um die Bedingungen der BITV zu erfüllen, muss ein Internetauftritt nach WCAG AA validiert werden.

WCAG 2.0

Das W3C hat inzwischen mit WCAG 2.0 eine weiter entwickelte Version seiner Web Content Accessibility Guidelines vorbereitet. An der eigentlichen Zielsetzung hat sich nichts geändert, die einzelnen Punkte werden jedoch effizienter strukturiert und Prioritäten teilweise leicht geändert. Die hauptsächliche Intention war die Ausweitung der ursprünglich auf reine HTML Dokumente beschränkten Richtlinien auf die verschiedensten Technologien elektronischer Medien.

Es ist wichtig zu wissen, dass die WCAG 2.0 rückwärts kompatibel zu den WCAG 1.0 sind, d.h. einmal gewonnene Erkenntnisse können weiter Verwendung finden und Webauftritte, die nach WCAG 1.0 validiert sind, werden auch nach der neuen WCAG 2.0 als barrierefrei gelten.

Die WCAG 2.0 sind im Dezember 2008 als final Web Standard "W3C Recommendation" der Öffentlichkeit vorgestelt worden. Eine Übersicht in englische Srache finden Sie hier: WCAG Overview. Eine recht gute Übersicht über die WCAG 2.0 hat BIK-online zusammen gestellt: WCAG 2.0 - was ändert sich?

Wie können die Richtlinien umgesetzt werden?

Wenn Sie einen Webauftritt von Grund auf neu programmieren wollen, sollten Sie sich zunächst von althergebrachten, liebgewordenen Dingen wie beispielsweise dem tabellenbasierten Layout verabschieden und sich stattdessen in die Programmierung mittels Cascading Stylesheets und HTML 4.0 bzw. XHTML oder besser gleich HTML 5 einarbeiten. Durch die dann mögliche Trennung von Inhalt und Layout ist es für textbasierte Browser und damit auch jegliche Vorlese- oder Braille-Software deutlich einfacher, die eigentlichen Inhalte der Webseite zu erfassen.
Wenn Sie nun noch allen Bildern eine inhaltlich relevanten Beschreibung hinzufügt, damit die Vorlesesoftware auch aus den Grafiken noch Informationen für den Besucher heraus lesen kann, ist der halbe Weg zur barrierefreien Internetseite schon getan.

Das Ergebnis kann zur Kontrolle mit einem textbasierten Browser, wie beispielsweise Lynx, auf Tauglichkeit für sprachbasierte Ausgabemedien (Vorlesesoftware, Braillesoftware) kontrolliert werden. So kann sehr schnell überprüft werden, wo in der logischen Textausgabe noch Mängel vorliegen. Sie können sich auch der im Web verfügbaren Lynx Emulation von Delorie Software bedienen, um jede beliebige Webseite auf ihre Eignung zu überprüfen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Seite auf einem öffentlich zugänglichen Webserver liegt.

Nun sollte man Schritt für Schritt daran gehen, die Richtlinien der WCAG darauf hin zu überprüfen, ob sie für den vorliegenden Webauftritt von Relevanz sind und wenn dem so ist, ob sie eingehalten werden. Es gibt leider bislang kein Tool, um direkt nach den Richtlinien der BITV zu überprüfen. Auf den Seiten von BIK-Online werden jedoch sehr ausführlich die einzelnen Prüfschritte erläutert, mit denen Sie die Zugänglichkeit Ihres Webangebotes überprüfen können.

Online Zugänglichkeitsprüfung

Alternativ können Sie eine Online-Überprüfung Ihrer Seite vornehmen, beachten Sie jedoch, dass durch eine automatische Überprüfung lediglich ein Teil der Anforderungen abgedeckt werden können. Auch sollten Sie, um eine Vergleichbarkeit mit der BITV zu erzielen, als Zugänglichkeitsrichtlinie mindestens WCAG Priorität 2 wählen.
Auch hier ist die Voraussetzung allerdings, dass die Internetseite auf einem öffentlich zugänglichen Webserver liegt:

Testen Sie Ihre Seite

z.B. http://www.zeitform-services.de/

Erläuterung:

  1. Geben Sie die URL der zu testenden Seite ein.
  2. Wählen Sie die Zugänglichkeitsrichtlinien, nach denen getestet werden soll.
    Section 508:
    Die Richtlinien der amerikanischen Bundesbehörden für öffentliche Webauftritte
    WCAG 1.0 Priorität 1, 2 oder 3:
    Die Richtlinien des W3C, abgestuft nach den verschiedenen Prioritäten, wie oben beschrieben.
  3. Wenn Sie lediglich auf WCAG Priorität 2 validieren wollen, sollten Sie dennoch alle 3 Prioritätsstufen testen (Sie können nur daraus lernen), gleichzeitig aber die Checkbox "Bei Fehlern der WCAG Prioritätsstufen 2 oder 3 nur warnen" aktivieren. Fehler der niedrigeren Priorität werden dann lediglich vermerkt, haben aber keinen Einfluss auf eine Validierung nach der Prioritätsstufe 2.
  4. Der alternative Textqualitätsreport untersucht die Seite zusätzlich auf häufig vorkommende Fehler im Sourcecode oder auf fehlende Alternativbeschreibungen und sollte daher auf jeden Fall aktiviert sein.
  5. Wenn sie den Sourcecode Ihrer Seite zusätzlich in den Report aufnehmen wollen, können Sie dieses Feature mit der letzten Checkbox einschalten.
  6. Wenn Sie dynamischen Content für verschiedene Browser zur Verfügung stellen, sollten Sie mit dem entsprechenden Pulldownmenue einen passenden Browser aussuchen.

Hinweis: Die Online Validierung wird freundlicherweise vom Cynthia Says Portal zur Verfügung gestellt. Um den Server nicht zu überlasten, kann lediglich eine Seite eines Webauftritts in der Minute bearbeitet werden. Wenn Sie mehrere Seiten überprüfen wollen, sollten Sie also ein wenig Geduld aufbringen.

Die Ergebnisse der Validierung liegen aus verständlichen Gründen nur in englischer Sprache vor und decken nur den maschinell durchführbaren Teil der Validierung ab. Das Ergebnis wird etwas versteckt am Anfang der Seite präsentiert, beispielsweise:

Verified File Name: http://fiatlux.zeitform.info
Date and Time: 4/16/2004 7:11:25 AM
Passed Automated Verification
Emulated Browser: Netscape 6.0

Sollte anstatt Passed dort Failed stehen, bedeutet das für die Seite leider, dass sie die Validierung nicht bestanden hat. Die Gründe dafür werden anschließend in dem Report detailliert aufgeführt.

Wenn dort Passed steht, müssen Sie für eine vollständige Validierung nach WCAG noch einige Checkpunkte von mehreren Testpersonen manuell überprüfen lassen. Das Ergebnisformular wird Sie darauf ebenfalls hinweisen.

Warum ist Barrierefreiheit von allgemeinem Interesse?

Es ist statistisch belegt, dass europaweit etwa 20% aller Surfer das Internet nicht optimal nutzen können. Sei es, dass bei der Programmierung der Seiten auf technische Gegebenheiten nur unzureichend Rücksicht genommen wurde (Betriebssystem und Browserunterstützung, Bildschirmformate, spezielle Plugins oder Programmiersprachen) oder dass die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen nicht beachtet wurden.

Für farbenblinde Nutzer sollten die Seiten auch in einer Graustufendarstellung lesbar sein, Internetnutzer mit ausgeprägter Sehschwäche sind darauf angeweisen, die Schriftgröße ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen zu können, ohne dass dadurch das Layout zerstört oder unleserlich wird.

Blinde Surfer lassen sich die Seiten von einer speziellen Software vorlesen oder in Braille-Schrift ausgeben, was bei der Programmierung der Seiten beispielsweise durch alternative Bildbeschreibungen berücksichtigt werden muss.

Menschen mit einer motorischen Behinderung sollten die Möglichkeit haben, Navigationselemente mit Hilfe der Tastatur auszuwählen.

All diese Ansprüche können mit den vorhandenen Techniken wie CSS2 und HTML 4.0 bzw. XHTML sehr elegant erfüllt werden, ohne dass das Design der Seite darunter leiden muss. Ganz im Gegenteil erreicht man fast automatisch ein sehr klares, logisches Layout, das gegenüber herkömmlich programmierten HTML-Seiten einige handfeste Vorteile bietet. Das beliebteste Beispiel in diesem Zusammenhang liefern die klassischen Suchmaschinen* wie Google oder Bing. Auch sie sind blind und gehörlos, müssen sich also auf die textlichen Inhalte einer Website beschränken. Dafür haben sie aber viele Millionen Freunde, die sich auf ihr Urteil verlassen, nämlich uns, die Nutzer dieser Suchmaschinen.
* Ein entsprechendes Zitat wird übrigens des öfteren Steve Pemberton, dem Leiter der HTML-Arbeitsgruppe des W3C zugesprochen, der wiederum die Urheberschaft Karsten M. Self überlässt.

Wenn also die Suchmaschinen zugängliche Webseiten im Ranking bevorzugen, dann sollte eigentlich jeder ein ureigenes Interesse daran haben, solche Seiten anzubieten.

Sollte es da nicht nur wegen des in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben Rechts auf Gleichheit aller Menschen selbstverständlich sein, barrierefreie Webseiten zu programmieren?

Organisationen

Rechtliche Grundlagen und technische Informationen

Validierungstools, Software

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